Nun konnte ich doch nicht widerstehen und bin eingeknickt: Ich habe mir auf ebay eine gebrauchte Hasselblad X2D 100C geangelt :-). Meine bisherige X1D 50C Ausrüstung wird verkauft, um die Neuanschaffung (teil-) zu finanzieren…
Aber der Reihe nach. Eigentlich war ich mit meiner X1D 4116 durchaus zufrieden, die ich vor rund 5 Jahren (ebenfalls gebraucht) gekauft hatte. Mit dem lahmen Autofokus und dem schwachbrüstigen Prozessor konnte ich mich arrangieren bzw. die überragende Bildqualität hat alles überstrahlt, das Design und die sagenhafte Ergonomie (nicht nur haptisch, auch softwareseitig) kamen noch on top. Das einzige, was mich störte, waren periodische Systemabstürze. Nicht häufig, aber alle paar Monate. Dann half nur, Batterie raus/rein und Neustart. Eigentlich keine grosse Sache, aber es ist halt nicht gerade vertrauensfördernd. Einmal ist mir das während eines (bezahlten) Auftrages im dümmsten Moment passiert, was mich kurzfristig ziemlich ins Schwitzen gebracht hat, denn ein Neustart der X1D dauert rund 10 Sek. Ich war deshalb dauernd hin- und hergerissen, ob sich das Upgrade auf eine (gebrauchte) X1D Mark II unter diesen Umständen rechtfertigen liesse…
Als dann die X2D 100C im Herbst 2022 vorgestellt wurde, war ich zwar einerseits regelrecht geflasht von den neuen Features wie dem Bildstabilisator, dem eingebaute SSD-Speicher, dem verbesserten Autofokus und der Auflösung von 100MP. Andererseits aber auch abgeschreckt vom hohen Preis, von den Konsequenzen der hohen Auflösung (brauche ich dann auch einen neuen Computer?) und von der Tatsache, dass man, um von allen Verbesserungen zu profitieren, auch die neuen, mit der X2D vorgestellten XCD-V Objektive verwenden sollte. Und die sind gegenüber der bestehenden Objektivreihe (ohne „V“) nochmals ein Stück teurer geworden. Und ausserdem, ganz ehrlich, wer braucht denn wirklich 100MP…?! So war also eigentlich klar, dass dies keine Kamera für mich war.
Glück gehabt, weil (viel) Geld gespart…!
Vorerst… 😉
Denn: In den zwei Jahren seit der Vorstellung der X2D hat sich einiges getan. Erstens sind inzwischen X2D-Bodies auf dem Secondhand-Markt verfügbar und zweitens hat Hasselblad weitere Objektive vorgestellt, u.a. auch in der sogenannten „P-Serie“ (P=Portable). Die sind nicht nur kleiner und leichter, sondern auch deutlich günstiger als das restliche Objektiv-LineUp. Dazu aber mehr weiter unten…
Es kam, wie es kommen musste. Es begann ganz „harmlos“ mit dem Anschauen einiger YouTube-Reviews, setzte sich fort mit ein paar „unverbindlichen“ Preisrecherchen für gebrauchte Objektive und X2D Bodies, mündete in einen Budgetplan mit konkreten Vorstellungen und Zahlen und kulminierte schlussendlich im Kauf eines gebrauchten X2D-Gehäuses, eines gebrauchten XCD 4.0/28 P und dem brandneuen XCD 3.4/75mm P 🙂
Soviel zur Vorgeschichte. Im folgenden möchte ich ein wenig von meinen Erfahrungen mit der X2D in den letzten Wochen erzählen. Dies wird kein übliches Review, in dem sämtliche technischen Features der Kamera aufgelistet und abgearbeitet werden; dafür gibt es von Hasselblad Datenblätter und auf YouTube ungefähr eine Million „Reviews/Tests“. Absichtlich in Anführungszeichen, denn 99% dieser „Reviews“ sind von Hasselblad direkt oder indirekt gesponsert.
Zwischenbemerkung: Jetzt muss ich doch mal etwas loswerden. In den letzten Monaten scheint jeder Fotografie-Influencer/YouTuber mit mehr als 10 Followern von Hasselblad eine X2D inkl. einem oder zwei Objektiven zur Verfügung gestellt bekommen. Nicht selten zum Behalten! Als Gegenleistung erscheint ein positives Video und ein oder zwei Folgebeiträge mit der X2D und nach einiger Zeit verschwindet die Hassi kommentarlos in der Versenkung und der/die YouTuber benutzt wieder die Ausrüstung, mit der er/sie immer schon gearbeitet hat. Was zum Henker soll das? Liebes Hasselblad-Team: Habt Ihr es tatsächlich nötig, Euch dermassen krampfhaft anzubiedern? Wenigstens ist jetzt klar, warum die Kamera so teuer ist, wenn jedes zweite Exemplar hergeschenkt wird… Ich habe zudem die Befürchtung, dass diese Art von Werbung eher negative Folgen hat. Bei mir war es jedenfalls so, dass ich mir die X2D nicht wegen, sondern trotz der penetranten Werbung angeschafft habe. Hasselblad sollte sich nicht wundern, wenn sich die Leute bei dieser bizarren Strategie so Ihre Gedanken machen über den Wert der Produkte und der Marke an sich. Übrigens: Wer jetzt denkt „Ach, der FotoRistretto ist ja nur eifersüchtig, weil er von Hasselblad keine Kamera geschenkt bekommen hat“, der hat vollkommen recht 😉
So, genug gestänkert.
Der Schwerpunkt des folgenden Berichtes wird auf den nützlichen und weniger nützlichen Kleinigkeiten der Kamera liegen sowie erste Eindrücke und Ergebnisse der beiden erwähnten Objektive liefern. Gewisse hoch gehypte Features werde ich evt. nur kurz am Rande streifen während andere, mir nützliche erscheinende „Kleinigkeiten“ ausführlich vorgestellt werden. Also wie immer in diesem Blog 100% subjektiv 😉 . Und ja, trotz meinem „Stänker-Einschub“ oben bin ich Hasselblad und ihren Kameras gegenüber ziemlich positiv eingestellt. Sonst würde ich wohl kaum soviel Geld für deren Produkte ausgeben. Das fing ja schon Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts an, als ich meine umfangreiche, analoge Nikon-Ausrüstung gegen eine spartanische, ebenfalls analoge 501C + 80mm Standardobjektiv eingetauscht habe. Das befreiende Gefühl von damals, das mit dem Wechsel von zwei Bodies und mehreren Objektiven und viel Zubehör zu einem Minimalkit aus einem Body + ein Objektiv verbunden war, wirkt heute noch nach. Aber das ist eine andere Geschichte…

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Vorab zwei Dinge, die mir aufgefallen sind, ohne sie positiv oder negativ bewerten zu wollen: 1. Der Body der X2D hat zwar die gleiche Formensprache wie die X1D und auf Bildern ist der Unterschied teilweise schwer zu erkennen; die beiden markantesten Unterschiede sind einerseits die Farbe und das kleine Display bzw. der fehlende Drehknopf auf der rechten Kameraschulter. Hat man den Body aber in Natura vor sich bzw. in der Hand, ist der Unterschied zu den Vorgängern doch recht markant. In der Breite zwar fast identisch, aber deutlich höher bauend und generell bulliger/dicker sowie fühlbar schwerer. Ich nehme an, dies ist u.a. auch dem Bildstabilisator IBIS und der eingebauten SSD-Festplatte geschuldet, die beide natürlich Raum und Gewicht beanspruchen. Wenn ich die X1D jetzt wieder in die Hand nehme, kommt sie mir fast wie ein Spielzeug vor gegenüber der massiveren X2D… Die Ergonomie leidet darunter allerdings kaum, der Handgriff wurde leicht angepasst und es ist auch damit kein Problem, die Kamera stundenlang in der Hand zu halten bzw. herumzutragen. Für meine eher kleinen Hände war der schmalere Griff der X1D allerdings noch einen Ticken angenehmer; für grosse Hände gilt wahrscheinlich das Gegenteil… 2. Das Objektivbajonett ist sehr leichtgängig. Ich bin mir von allen meine Kameras, egal ob Hasselblad oder andere Marken, gewohnt, dass zum Aufsetzen des Objektives ein bisschen Widerstand zu überwinden ist. Bei der X2D ist das sehr leichtgängig. Im Internet findet man einzelne Beschwerden über lockere Objektive. Ich weiss nicht, ob dies tatsächlich ein Problem sein bzw. werden könnte; bei mir wackelt auf jeden Fall nichts und alles funktioniert wie es soll. Ich wollte es bloss erwähnt haben…

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Grundsätzlich wird es sechs Kapitel geben:
- 1. Was mir gefällt
- 2. Was mir nicht gefällt
- 3. Licht und Schatten
- 4. Autofokus / Gesichtstracking
- 5. Hasselblad P-Objektive
- 6. Fremdobjektive
- 7. Persönliches Fazit
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1. WAS MIR GEFÄLLT
Die eingebaute 1TB-Festplatte ist natürlich super, wer aber auf Nummer sicher gehen will, benötigt trotzdem eine zusätzliche Speicherkarte für Redundanz. Positiv, dass man fürs Auslesen der Karte vom Typ CF Express B nicht unbedingt einen Kartenleser braucht, sondern dies auch über den USB-C Port der Kamera möglich ist.
Der Bildstabilisator IBIS ist phänomenal. Die beworbenen 7-Blendenstufen sind kein Marketing-Blabla, sondern tatsächlich realistisch. Unter optimalen Umständen, also aufgestützt oder angelehnt, ist sogar noch mehr möglich. Mit dem 4.0/28mm sind mir knackscharfe Freihandaufnahmen mit einer Verschlusszeit von 2 Sekunden gelungen! Es ist allerdings eine gewisse Sorgfalt nötig, um konsequent und konsistent gute Ergebnisse zu erhalten. „Point and shoot“ ist dafür nicht die richtige Methode. Und man sollte im Extrembereich sicherheitshalber mehrere Aufnahmen machen bzw. das Ergebnis gleich am hinteren Monitor kontrollieren, da auch immer wieder Ausreisser dabei sind. Trotzdem eine grandiose Verbesserung, die die Alltagstauglichkeit massiv erhöht und sogar das Stativ in vielen Fällen ersetzen kann (warum das Stativ trotzdem nicht komplett ausgedient hat, kannst Du hier nachlesen).

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Das User-Interface der X2D ist ein weiterer Höhepunkt und kann gar nicht hoch genug gelobt werden. Trotz mehr Funktionen gegenüber den Vorgängern ist es nochmals übersichtlicher geworden. Während bei allen mir bekannten Kameras das Ändern von Einstellungen ein notwendiges Übel ist, freut man sich bei der X2D jedes Mal, wenn man etwas im Menu herumsurfen kann :-).

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Das Klapp-Display war mir im Vorfeld eigentlich nicht so wichtig (keine meiner bisherigen Kameras hatte so etwas), aber muss ich zugeben, dass ich es sehr schätzen gelernt habe. Dass sich das Display nur hoch- aber nicht herunterklappen und auch nicht verschwenken lässt, ist zwar schade, aber für mich verschmerzbar. Dafür macht es einen sehr robusten Eindruck und ist in eingeklapptem Zustand praktisch unsichtbar.
Ebenfalls sehr praktisch im täglichen Gebrauch ist die Möglichkeit, die Sucher-Overlays (Gitternetzlinien, Wasserwage, Belichtungseinstellungen etc.) individuell zu konfigurieren. Bei der X1D gab es einfach mehrere Presets, durch die man sich der Reihe nach klicken konnte. Bei der X2D gibt es das zwar auch, aber erstens kann man wählen, welche Presets man sich anzeigen lassen möchte (und welche nicht) und zweitens lassen sich diese auch in gewissem Rahmen individuell anpassen. Auch das neue Mini-Live-Histogramm im Sucher bei/vor der Aufnahme ist äusserst sinnvoll.
Und endlich gibt es auch die Möglichkeit, mehrere Aufnahmen in einem Schwung zu löschen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, war aber bei der X1D leider nicht möglich.
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2. WAS MIR NICHT GEFÄLLT
Kein eingebautes GPS mehr! Da bin ich auf dem falschen Fuss erwischt worden. Die X1D hatte ein sep. GPS-Modul zum Aufstecken auf den Blitzschuh (dass allerdings sehr unzuverlässig funktioniert hat) und die X1D Mark II hatte GPS serienmässig eingebaut. Daher bin ich einfach davon ausgegangen, dass auch die X2D GPS an Bord hat. Fehlanzeige. Und es ist auch nichts, dass sich per Firmware-Update nachrüsten liesse, da die nötige Hardware (=GPS-Modul) gar nicht eingebaut ist. Sehr schade, denn das manuelle Hinzufügen der GPS-Daten z.B. in Lightroom bedeutet erheblichen Zusatzaufwand in der Nachbearbeitung. Das Gemurkse mit GPS-Tracks auf dem Handy und anschliessender Synchronisation habe ich ausprobiert und es ist – eben ein Gemurkse.
Der Druckpunkt des Auslösers ist für meinen Geschmack zu wenig definiert. Wenn man die Kamera z.B. durch einen leichten Druck auf den Auslöser aus dem Energiesparmodus aufwecken möchte, passiert es recht häufig, dass man gleich auslöst. Das Problem akzentuiert sich noch mit Handschuhen
Weiter oben habe ich ja die Menuführung bzw. das User-Interface gelobt. Einen Kritikpunkt habe ich dazu aber trotzdem. Der Zugriff auf die individuellen Profile ist nur über ein Untermenü zu erreichen. Und wenn man dann nach mehrere Klicks das Profil ausgewählt hat, fragt die Kamera noch, ob man es laden oder speichern möchte. Viel zu viele Klicks…! Dazu kommt, dass das aktuell aktive Profil nirgends angezeigt wird. Nehme ich die Kamera aus dem Schrank, weiss ich nicht, welches Profil gerade aktiv ist. Selbst im Einstellungsmenu selber, wo man die Profile auswählt, ist nicht ersichtlich, welches Profil aktiviert ist! Wer denkt sich denn so etwas aus?! Das war bei der X1D mit dem oberen, versenkbaren Modus-Rad besser gelöst: Ein Dreh und das Profil war (sichtbar!) gewechselt. Auch dass man die Profile nicht benennen oder zumindest verschiedenen Icons zuordnen kann, ist für mich nicht nachvollziebar. Immerhin kann man in diesen Punkten auf ein Firmwareupdate hoffen.

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3. LICHT UND SCHATTEN
In diesem Abschnitt geht es um Funktionen, die nicht eindeutig „gut/schlecht“ bzw. „besser/schlechter“ sind, sondern irgendwie beides zusammen 😉
Schulterdisplay versus versenkbarer Drehknopf bei der X1D: Prinzipiell eine erfreuliche Funktionserweiterung und eine Augenweide dazu. Aber wie im vorigen Abschnitt erwähnt, hat das seinen Preis. Mit dem Display hat man zwar mehr Funktionen/Infos zur Verfügung aber der Zugriff auf diese ist teilweise umständlicher geworden.
Die Trageösen bzw. -knubel sind sehr praktisch und ein Kameragurt mit den passenden Schnallen ist blitzschnell und einhändig befestigt/abgenommen/gewechselt. Nachteil dabei: Das System ist Hasselblad-spezifisch und erfordert dezidierte Schnallen, die sonst üblichen Ringösen passen nicht. Da ich normalerweise lieber mit einer Handschlaufe als einem Kameragurt arbeite, wollte ich mir zu meiner neuen Kamera eine feine Lederschlaufe von „DeadCameras“ gönnen. Dort meinten sie jedoch, die Hasselbladschnalle sei nicht geeignet für eine einseitig befestigte Handschlaufe, denn sie neige dazu, sich bei einseitiger Belastung zu verbiegen…

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Zur Akkukapazität hört man verschiedene Meinungen. Die Akkus sind exakt dieselben wie schon auch in den beiden X1D Modellen. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteil: Man kann seine alten Ersatzakkus (ich habe 3 Stück davon…) weiterverwenden. Nachteil: Die X2D ist stromhungriger als ihre Vorgänger und hätte eigentlich Akkus mit höherer Kapazität verdient. Hasselblad selber schreibt von bis zu 420 Auslösungen pro Akku. Das mag ungefähr hinkommen, wenn man diese innerhalb kurzer Zeit macht ohne irgendwelche anderen Aktionen dazwischen. In der Praxis läuft es ja meistens anders: Man setzt die Kamera häufig ans Auge, um ein Motiv zu checken, man überprüft die gemachten Aufnahmen am Monitor, man lässt die Kamera im Stand-by Modus, damit man schneller reagieren kann, es ist kalt etc. etc. Im Extremfall kann sich die oben genannte Zahl dadurch auch halbieren. Konsequenz: Ich kontrolliere immer den Ladestand vor Gebrauch und gehe praktisch nie ohne Ersatzakku aus dem Haus, kurze Sonntagspaziergänge mal ausgenommen. Vorbei die Zeiten einer vollmechanischen Nikon FM2, die nur für die Belichtungsmessung eine Knopfzelle benötigte, die jeweils viele Jahre hielt.
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4. AUTOFOKUS / GESICHTSERKENNUNG
Ein Punkt, der auch in Kapitel „3. Licht und Schatten“ passen würde. Da es aber ein recht komplexes Thema ist, habe ich ihm ein eigenes Kapitel gegönnt.
Zuerst ein Wort zum Verschieben des Fokuspunkts. Bei den meisten (allen?) anderen Kameramarken geschieht das mittels physischem Joystik, bei Hasselblad elektronisch direkt auf dem hinteren Bildschirm. Arbeitet man mit dem LCD-Screen, tippt man einfach auf die Stelle, auf die scharfgestellt werden soll. Hat man das Auge am Sucher, kann man mit dem Daumen bequem den Fokuspunkt verschieben, was von vielen Testern bemängelt wird. Bei der X1D war das tatsächlich suboptimal, weil der Touchscreen nicht ganz so direkt und sensibel war, wie es für diese Funktion wünschenswert gewesen wäre. Bei der X2D ist das gar kein Thema mehr, das Ansprechverhalten ist knackig und unmittelbar. Ich habe mir das rechte obere Viertel als „Fokus-Touchpad“ für den Daumen definiert und finde es genauso intuitiv und effektiv wie einen Joystick (welcher mechanisch auch ausleiern kann…). Dass die meisten Tester/Reviewer das Fehlen desselben bemängeln, liegt wohl eher an einem Nicht-umgewöhnen-wollen bzw. teilweise auch an Nichtwissen über die Konfigurationsmöglichkeiten als an einem effektiven Funktionsmangel. Ich jedenfalls nutze diese Funktion mit Freude und Erfolg.
Der Autofokus ist mit dem Wechsel von Kontrasterkennungs-Autofokus bei den Vorgängermodellen zu Phasenerkennungs-Autofokus sowie den neuen Objektiven spürbar schneller geworden. Dies ist v.a. bei sich bewegenden Motiven wichtig; da die X2D ja keinen Nachführ-Autofokus besitzt, hängt die Trefferquote sehr von der Autofokusgeschwindigkeit ab. Meiner Erfahrung nach ist der neue Phasen-AF v.a. bei wenig Licht aber weniger treffsicher als der „alte“ Kontrast-AF; und das trotz den neuen Objektiven.
Mit dem entsprechenden Firmware-Update hat der Aufofokus der X2D auch eine Gesichtserkennung (Face-Tracking oder Face-Detection) spendiert bekommen. Ehrlich gesagt, bin ich diesbezüglich etwas zwiegespalten. Bei einer einzelnen Person, die sich wenig oder langsam bewegt, funktioniert das gut und zuverlässig und erspart einem das permanente manuelle Nachführen/Verschieben des Fokuspunkts. Und auch wenn es „nur“ Face-Tracking und nicht Eye-Tracking ist, stellt die Kamera trotzdem (meistens) korrekt auf das näherstehende Auge scharf. Sobald sich die Person aber schneller bewegt, v.a. auf die Kamera zu, ist der Autofokus je nach Abstand und Winkel häufig überfordert. Wenn mehrere Personen im Bild sind, kann man mit einer Wischgeste auf dem Bildschirm das Gesicht, welches getrackt werden soll, wechseln. Das funktioniert aber nicht immer zuverlässig. Manchmal wechselt der Fokus gar nicht zur neuen Person, manchmal springt er nach ein paar Sekunden wieder zurück.
Fazit Autofokus: Solange die X2D keinen Nachführautofokus bietet, bleiben alle Tracking-Features unbefriedigende Hilfskonstrukte. Ich weiss nicht, ob sowas softwareseitig per Firmware-Update nachgeliefert werden kann; wünschenswert wäre es auf jeden Fall. Ich befürchte jedoch, Hasselblad wird dieses Feature erst bei einer X2D Mark II oder X3D einführen 🙁
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5. HASSELBLAD XCD-P OBJEKTIVE
Bei den Objektiven war ich lange unentschlossen. Am günstigsten wäre es natürlich gewesen, ich hätte meine bisherigen Objektive behalten: Das XCD 3.2/90mm und das XCD 3.4/45mm, beide aus der allerersten Objektivserie. Allerdings kann man von einigen Verbesserungen der X2D nur profitieren, wenn man auch die neuen XCD-V Objektive verwendet, welche aber deutlich teurer sind als die Bisherigen. Und der Gebrauchtmarkt gibt auch nicht viel her, da die XCD-V Serie viel zu neu ist. Die Lösung kam mit zwei unerwarteten „Angeboten“. Das erste war ein gebrauchtes, aber absolut neuwertiges XCD-P 4.0/28mm für einen sehr fairen Preis. Der Vorbesitzer hatte sich das Zoom 20-35mm angeschafft und deshalb keinen Bedarf mehr für das 28mm. Das zweite Angebot war die Vorstellung des brandneuen XCD-P 3.4/75mm für weniger als die Hälfte des Preises für z.B. das XCD-V 2.5/90mm.
Einschub: Zur allgemeinen Übersicht hier noch einmal kurz die verschiedenen Objektivreihen gegenübergestellt. Prinzipiell sind ALLE XCD-Objektive mit ALLEN spiegellosen Hasselblad Kameras (X1D, X1DII, X2D) kompatibel, aber ggf. können neuere Funktionen einer Kamera mit alten Objektiven nur eingeschränkt genutzt werden.
XCD (ohne Zusatz): Die allerersten Objektive zur X1D und X1D II mit dem breiten Gummi-Fokusring und teilweise etwas konischer Form. Ohne jegliche Funktionen am Objektiv (ausser Fokus natürlich…). Mit neun Objektiven zwischen 21mm und 135mm (plus Telekonverter für das 135er) die umfangreichste Serie.
XCD V (für versatile, also vielseitig): Die neuen, speziell für die X2D gerechneten Objektive haben ein neues, zylindrisches Retro-Design und sind für Phasen-AF optimiert. Zusätzlich besitzen sie einige Einstellmöglichkeiten wie einen individuell programmierbaren Funktionsring und eine M/AF-Umschaltung. Aktuell 4 Objektive: 28mm, 38mm, 55mm, 90mm, alle f 2.5.
XCD E (für exclusive, also exklusiv): Ebenfalls neue, für die X2D gerechnete Objektive mit demselben Design wie die V-Linie, aber optisch „am Limit des Möglichen“ (Zitat Hasselblad). Aktuell existiert nur ein E-Objektiv, das 20-35mm Zoom.
XCD P (für portable, also portabel): Auch diese Objektive sind voll 100MP-tauglich, jedoch aufgrund etwas einfacherer Bauweise relativ klein, leicht und günstig (siehe unten). Aktuell 3 Objektive: 4.0/28mm, 4.0/45mm und 3.4/75mm
-> Stand der Infos: Januar 2025
Es stellt sich natürlich die Frage, an welcher Stelle Hasselblad gespart hat, um die P-Linie so günstig (für Hasselblad-Verhältnisse…) anzubieten. Es sind wohl v.a. zwei Stellschrauben, an denen gedreht wurde: Lichtstärke und Zusatzfunktionen. Die P-Objektive haben nur eine Anfangsöffnung von f 4.0 (28+45mm) resp. f 3.4 (75mm) gegenüber f 2.5 der V-Objektive. Und es fehlt Ihnen der Objektivring zum Umschalten auf manuellen Modus sowie der individuell programmierbare Funktionsring. Definitiv nicht gespart wurde bei der Bauweise: Alles Metall, alles fühlt sich solide und satt an; noch hochwertiger als die alten Objektive mit dem Gummiüberzug, der sich mit der Zeit etwas billig und schwammig angefühlt hat. Der optische Aufbau ist etwas einfacher als bei der XDC-V Serie; evt. schlägt sich das in irgendwelchen Testcharts nieder, aber im Endergebnis, also dem Foto, kann ich keinen Unterschied erkennen. V.a. das 75mm ist rattenscharf. Minimale Verzeichnung und Vignettierung werden in der Nachbearbeitung z.B. in Lightroom durch das vorhandene Objektivprofil automatisch korrigiert. Dass die P-Serie auch noch relativ leicht ist, kommt als Bonus hinzu. „P“ steht ja für „portable“. Und der Verschluss aller neuen Objektive ist deutlich leiser als derjenige in den alten. Nicht alle gleich, aber alle besser.
-> TIPP: Für alle, die die neueste Hasselblad Objektivtechnologie „on a budget“ 😉 haben wollen, eine absolute Empfehlung. Und die Staffelung mit 28/45/75mm ergibt ein nettes Set!
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6. FREMDOBJEKTIVE
Meine bisherigen Hasselblad XCD Objektive (3.2/90mm und 3.4/45mm) werde ich wohl verkaufen, mein TTArtisan 1.25/90mm behalte ich aber wahrscheinlich als Objektiv für spezielle Gelegenheiten. Für den Gebrauch von Fremdobjektiven an der X2D gibt es zwei Funktionen, die mir im Vorfeld zwar bekannt waren bzw. die es in einer anderen Form auch schon an der X1D gab, deren Nützlichkeit ich aber komplett unterschätzt habe: Den 100% Zoom und die Crop-Modi.
Die Taste für den 100%-Zoom ist von der Knopfleiste rechts neben dem hinteren Screen bei den Vorgängermodellen zum hinteren Einstellrad gewandert. Dieses kann man natürlich weiterhin drehen für die Belichtungskorrektur, neu aber auch drücken für eine 100% Ansicht im Sucher (EFV) bzw. auf dem Screen. Das scheint eine Kleinigkeit zu sein, ist aber ergonomisch ein Riesenverbesserung; statt mit dem Auge am Sucher blind mit dem Daumen den 3. Knopf von oben zu ertasten (mit Handschuhen erst recht unmöglich), reicht ein simpler Druck auf das Einstellrad für denselben Effekt.
Mit den Zuschneide-Modi kann man verschiedene Bildformate simulieren bzw. sich im Sucher anzeigen lassen. Wer z.B. im Panorama oder X-Pan Format fotografieren möchte, kann den entsprechenden Ausschnitt bereits bei der Aufnahme einblenden. Ich benutze das zwar persönlich äusserst selten, da der von mir gewählte Ausschnitt evt. am oberen oder unteren Sensorrand liegt und nicht wie bei den voreingestellten Modi immer in der Mitte. Ich beschneide meine Bilder darum erst in der Nachbearbeitung und verwende teilweise auch „wilde“ Seitenverhältnisse, die keinem gängigen Format entsprechen. Mit einer Ausnahme: Alle mir bekannten Fremdobjektive für die spiegellosen Hasselblads sind nur für das Kleinbildformat gerechnet, d.h. der Bildkreis ist kleiner als beim Mittelformat und sie vignettieren dementsprechend – erst recht, wenn man noch Filter verwendet. Hier kommt der 3:2 bzw. 24:36 Modus zum Zug: Er zeigt den Ausschnitt im Sucher an, der dem Bildkreis des Kleinformats 24:36 entspricht, simuliert also sinngemäss die Lage des imaginären Kleinbildsensors auf dem realen Mittelformatsensor. Somit kann man die Vignettierung vermeiden und hat damit sowohl Bildauschnitt wie Bildwirkung der Originalbrennweite. Mein TTArtisan 1.25/90mm, dessen Bildwinkel bei Vollausnützung des MF-Sensors ja nur demjenigen eines 70mm-Objektives entspricht, wird mit der Verwendung des Crop-Modus 24:36 wieder zum echten 90mm Objektiv. Natürlich kann/muss man dies alles auch nachträglich am Computer manipulieren, aber den definitiven Bildausschnitt bereits bei der Aufnahme im Sucher zu sehen, macht es deutlich leichter.

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7. PERSÖNLICHES FAZIT
Ein Fazit zu dieser Kamera kann nur persönlich und subjektiv ausfallen, denn sie bedient ein Nische. Grundsätzlich bin ich absolut begeistert von X2D. Genauso wie schon die X1D zaubert mir alleine schon das in die Hand nehmen ein breites Grinsen aufs Gesicht. Die Verbesserungen gegenüber den Vorgängern sind wirklich substantiell und machen sich auch im täglichen Gebrauch angenehm bemerkbar. Die von mir kritisierten Punkte gehen im Meer der Verbesserungen fast unter. Und um zur Ausgangsfrage zurückzukommen „braucht man 100MP wirklich“: Nein, nur wenige Anwender/Anwendungen benötigen tatsächlich diese gigantische Auflösung, auch ich hätte eigentlich lieber eine 50MP Kamera mit allen übrigen X2D-Features gehabt. Aber zu meiner Überraschung finde ich je länger je mehr Gefallen daran; die Crop-Möglichkeiten sind fast unendlich und die einzelnen Wimpernhaare meines Enkels auf einer Ganzkörperaufnahme zählen zu können, ist zwar sinnlos, macht aber unglaublich Spass 😉
Der Preis ist natürlich ein Wermutstropfen, aber in meinen Augen nachvollziehbar. Hier schlägt wohl das Pareto-Prinzip voll durch: Die letzten 20% an Qualität erfordern 80% des Aufwandes. Naja, vielleicht nicht so krass, aber im Kern durchaus richtig. Der Kleinbildbereich geht ja in eine ähnliche Richtung. Ein Canon EOS R1- oder Sony Alpha 1 II-Body kostet auch über CHF 6’000 und ist auch nur wenige Prozente besser als die halb so teuren Mittelklassmodelle desselben Herstellers. Ich habe auch vollstes Verständnis für Leute, die sagen, eine Fuji GFX100II erfüllt für deutlich weniger Geld (v.a. bei den Objektiven) ihren Zweck genau so gut, in Teilbereichen sogar besser. Aber diese ominösen letzten paar Prozente sind eben extrem subjektiv und werden von verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich wahrgenommen und bewertet.
Langer Rede kurzer Sinn: Wer beim Anblick der X2D feuchte Hände bekommt, der weiss, wovon ich rede und benötigt keine rationalen Argumente für den Kauf derselben. Wer nicht, der wird mit einer Fuji GFX 100 oder einer Sony/Nikon/Canon/Pentax glücklicher…
Falls Ihr Anmerkungen (auch kontroverse… 😉 ) zu meinen Ausführungen habt, Anregungen oder Fragen, dann schreibt mir das gerne in die Kommentare. Ansonsten vielen Dank fürs Durchhalten bis zum Schluss!
Revisionen:
19.01.24 Hinzugefügt: Beispielbild mit IBIS, Bemerkung zum Verschieben des Fokuspunktes
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