Ein kleines Erlebnis vor ein paar Wochen hat mich dazu veranlasst, mir ein paar Gedanken über das Thema „Stativ“ zu machen. Und da diese Gedanken während des Schreibens immer länger und länger wurden, habe ich mich entschlossen, drei Beiträge daraus zu machen:
1. Grundsätzliche Gedanken
2. Bildbeispiele bei denen das Stativ sehr nützlich war
3. Bildbeispiele die ohne Stativ nicht möglich gewesen wären
Evt. gibt es sogar noch einen vierten, technischen Teil, wo ich auf die von mir verwendete Ausrüstung eingehe.
1. Grundsätzliche Gedanken
Ich selbst verwende ein Stativ eigentlich ganz selbstverständlich wo immer möglich und sinnvoll. Im Zeitalter von High-ISO und Objektiv-/Bildstabilisator erntet man damit aber häufig verständnislose Blicke oder wird als Exot abgestempelt. Umso erfreulicher, wenn einem ab und zu ein anderes Exemplar derselben „specie rara“ über den Weg läuft.
So geschehen neulich in Bellinzona auf dem Castelgrande. Ich hatte mein Stativ schon aufgebaut und wartete auf den richtigen Moment zum Auslösen (zu diesem Thema weiter unten mehr…), da sah ich ein junges Pärchen auf der Burgmauer in meine Richtung schlendern. Beide mit Spiegelreflex inkl. lichtstarkem Zoom, er zusätzlich noch mit Dreibein unter dem Arm. Zwar ein etwas klappriges Exemplar in meinen Augen, aber immerhin. Etwas irritiert war ich allerdings, als er das Stativ aufgebaut hatte und trotzdem fleissig aus der Hand die Burg fotografierte… Schliesslich montierte er die Kamera doch noch auf dem Stativ, rief seine Partnerin herbei und beide warfen sich vor der Kamera in Pose für ein paar Selfies per Fernauslöser. Dies wiederholten die beiden an mehreren Standorten, dann packten sie das Stativ wieder zusammen und fotografierten weiter aus der Hand… Ich habe mit offenem Mund zugeschaut: Das Stativ zum Selfie-Stick Deluxe degradiert!
Da dachte ich mir, es ist an der Zeit, mit ein paar Vorurteilen und Missverständnissen betreffend Stativ aufzuräumen.
Für die meisten „Freizeit-Fotografen“ (das ist nicht despektierlich gemeint, ich bin ja selbst auch einer) besteht der Zweck des Stativs darin, bei langen Belichtungszeiten (Stichworte „Sonnenuntergang“ oder „Nachtaufnahme“) noch scharfe Bilder zu bekommen, sprich Verwacklungsunschärfe zu eliminieren. Dies muss man sich mit einem sperrigen, schweren und umständlich zu bedienenden Ausrüstungsteil erkaufen, so die gängige Meinung. Den meisten ist dieser Aufwand definitiv zu hoch, v.a. da er sich mit den heutigen technischen Möglichkeiten vermeintlich umgehen lässt. Also ISO auf 12’000, Blende ganz auf, Bildstabilisator ein und dann passt das schon…
Man kann die Sache aber auch von der anderen Seite sehen: Die Unbeschwertheit der Freihandfotografie ist auch nicht gratis zu bekommen bzw. hat genauso Ihren Preis: Mangelnde Grundschärfe aufgrund Ausreizen der Freihand möglichen Verschlusszeiten, fehlende Schärfentiefe aufgrund offener Blende, Bildrauschen aufgrund hoher ISO-Zahlen, suboptimaler Bildausschnitt und häufig schiefer Horizont aufgrund fehlerhafter Ausrichtung der Kamera, eingeschränkter gestalterischer Spielraum etc. Einiges kann man bei der Nachbearbeitung am Computer noch hinbiegen (was aber wieder zusätzlichen Aufwand erfordert und der Bildqualität meistens auch nicht zuträglich ist…), vieles lässt sich nachträglich auch gar nicht mehr korrigieren.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich gibt es viele Situationen, wo ein Stativ unnütz ist oder sogar kontraproduktiv. Betrachtet diesen Artikel einfach als Gedankenanstoss und Inspiration zwischen den beiden Polen:
„ich fotografiere nur mit Stativ, wenn es gar nicht mehr anders geht“
und
„ich fotografiere nur ohne Stativ, wenn es sein muss„
Ich möchte in den beiden Folgebeiträgen einige Bildbeispiele vorstellen, bei denen die Verwendung des Stativs extrem hilfreich war bzw. das Bild in dieser Art überhaupt erst ermöglicht hat. Und ich meine damit nicht Langzeitbelichtungen in der Dämmerung oder Nacht wie die untenstehenden Beispiele, wo es jedem klar ist, sondern Bilder am hellichten Tag.
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