Zur Einstimmung nachfolgend der Link zu Vimeo, wo ich eine kleine siebenminütige, vertonte Diashow veröffentlicht habe. Ich hätte das Video gerne in besserer Qualität hochgeladen, aber erstens gibt’s in der Basisversion nicht genug Speicherplatz für HD-Qualität und zweitens besteht die Gefahr von langen Ladezeiten bei langsameren Internet-Anschlüssen.
Vertonte Diashow Iran: vimeo.com/236973790
Erwartungen
Persien, Shush, Shiraz, Isfahan, Persepolis…! Wer beim Klang dieser Namen kein Fernweh bekommt, dem ist nicht mehr zu helfen. Im Kopf tauchen Bilder auf von Tausend und einer Nacht, von exotischen Palästen, farbenprächtig geschmückten Moscheen sowie Bazaren voller Kunsthandwerk, Gewürzen und anderen fremdländischen Spezereien. Jeder hat da seinen eigenen Bilder im Kopf (wer keine Bilder im Kopf hat, wird auch nicht auf die absurde Idee kommen, in den Iran zu reisen… 😉 ). Durch diese wunderbare, positive Erwartungshaltung drängen sich punktuell jedoch diffuse Erinnerungsfetzen ins Bewusstsein: Iran? Da war doch was… Islamischer Fundamentalismus, staatliche Willkür, Terror, Unterdrückung der Frau, übereifrige Sittenwächter etc. etc.
Ich möchte deshalb ganz konkret ein paar Fragen, die sich wohl die meisten Iran-Neulinge im Vorfeld der Reise stellen, aus unserer Sicht beantworten. Ich hoffe, das hilft künftigen Iran-Reisenden, die diversen, teilweise auch diffusen Befürchtungen realistisch einzuordnen. Dabei gilt es aber ganz klar auch immer die politische Grosswetterlage zu berücksichtigen. Was heute noch gültig ist, kann morgen schon wieder anders sein…
Was ist die korrekte Kleidung der Frau (als Touristin)?
Während sich die konservativen Iranerinnen nur im schwarzen Tschador zeigen, tragen die moderner eingestellten Perserinnen bunte und elegante Kleidung wie wir, allerdings mit Kopftuch, langen Aermeln, langen Hosen und verhülltem Dekolleté. Und genauso soll man sich auch als Touristin kleiden. Das Kopftuch darf auch gerne etwas auf den Hinterkopf rutschen und die vorderen Haare freilassen. Wir haben sogar armenische Christinnen gesehen, die ganz auf das Kopftuch verzichtet haben; das ist jedoch nicht unbedingt zur Nachahmung empfehlenswert.
Was ist die korrekte Kleidung des Mannes (als Tourist)?
Männer haben es etwas einfacher: Lange Hosen sollten es sein. Es wird hin und wieder auch empfohlen, auch langärmelig Hemden zu tragen. Wir konnten jedoch feststellen, dass viele Iraner im T-Shirt oder kurzärmeligen Hemd herumlaufen, so dass meine Langarmhemden im Koffer bleiben konnten – worüber ich bei Temperaturen zwischen 30 und 45 Grad ganz froh war.
Wie schwierig/restriktiv ist die Kontaktaufnahme mit den Einheimischen, v.a. Frauen?
Sehr unterschiedlich. Eindeutig ist es eigentlich nur zwischen konservativen Frauen im Tschador und männlichen Touristen. Da gibt es gar keinen Kontakt, von keiner Seite. Für alle anderen Kombinationen von Tourist/Touristin und Iraner/Iranerinnen gilt: Es wird nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wird… 😉 . Es kam z.B. häufiger vor, dass auch ich als Mann von einer Iranerin auf der Strasse spontan angelächelt und mit „Welcome to Iran“ begrüsst wurde. Und anlässlich eines Selfies war auch Körperkontakt nicht ungewöhnlich. Trotzdem ist natürlich eine gewisse Zurückhaltung bzw. situatives Feingefühl angebracht. Keine Einschränkungen gibt es z.B. an der Hotelreception oder in anderen touristischen Einrichtungen. Da kann man problemlos auch die weiblichen Angestellten ansprechen.
Wie ist die Situation bezüglich Terror, Verbrechen, Gewalt, Kriegsgefahr?
Es gibt tatsächlich Gefahrengebiete, die man im eigenen Interesse besser meiden sollte, v.a. die Grenzgebiete zu Irak und Afghanistan. Die Reisehinweise des EDA geben hier nützliche Tips. Ansonsten ist es auch nicht gefährlicher als sonst irgendwo in Westeuropa, im Gegenteil. Während unserer ganzen Reise haben wir uns nicht ein einziges Mal unsicher gefühlt oder wurden schief angeschaut oder gar blöd angemacht, auch wenn ich z.B. nachts oder frühmorgens alleine mit dem Fotoapparat unterwegs war. Da gibt es im Gegenzug ein Reihe von Städten in Westeuropa, von denen ich das nicht behaupten kann… Das grösste Risiko für Leib und Leben stellt der absolut chaotische Strassenverkehr dar. Sämtliche Verkehrsregelungen, inkl. Rotlichter, werden bestenfalls als unverbindliche Empfehlung wahrgenommen. Nicht umsonst wird Besuchern empfohlen, sich auf keinen Fall selber ans Steuer zu setzen, sondern immer ein Auto mit Fahrer zu mieten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass für Unfälle mit Verletzten oder sogar Toten drakonische Strafen verhängt werden können.
Wie ist das genau mit dem Fotografieren von Menschen (v.a. Frauen) und Anlagen?
Frauen im Tschador sind tabu, für alle anderen gilt: Einfach Fragen vor dem Fotografieren, meistens ist es kein Problem, sondern wird sogar begrüsst. Wie bereits in den Berichten von unterwegs erwähnt, sind viele Iraner (und Iranerinnen…) geradezu erpicht darauf, ein Selfie mit Touristen zu machen. Deshalb sollte man selber auch nicht fotoscheu sein 😉 . Im Iran fotografieren nicht nur die Touristen die Einheimischen, sondern gerne und öfters auch umgekehrt. Eindeutig verboten sind aber sämtliche militärischen Anlagen sowie Behörden und andere offizielle Gebäude.
Ist man als Christ (bzw. Nicht-Muslim) Anfeindungen ausgesetzt?
Von den Menschen auf der Strasse auf gar keinen Fall. Da merkt man nichts von islamischem Fundamentalismus oder Intoleranz gegenüber Andersgläubigen. Von offizieller, staatlicher Seite aus gibt es allerdings ein paar Dinge zu beachten: Eine Bibel für den privaten Gebrauch mitnehmen z.B. ist unproblematisch, Bibeln zu verschenken oder gar zu missionieren sollte man besser unterlassen. Andererseits existieren im Iran auch Gemeinden von armenischen Christen oder Juden, die ihre Religion offen in Kirchen und Synagogen ausleben.
Wird man als Tourist vom Staat dauerüberwacht?
Schwierig zu beantworten. Im täglichen Ablauf merkt man eher wenig davon. Hin und wieder wird man aber punktuell daran erinnert, dass der Iran eben doch „ein wenig anders“ funktioniert: Für das Einreisevisum werden Fingerabdrücke genommen; die Reisepässe werden jeweils im Hotel bis zur Abreise zurückbehalten; unser Buschauffeur musste sich täglich bei einem Polizeiposten melden, offiziell zur Kontrolle der Ruhezeiten; das Internet ist zensiert, Facebook und GMX z.B. sind gesperrt und mein WordPress-Account registrierte eine unberechtigte (und erfolglose) Passwortabfrage… Zufall? Apple Mail funktionierte erstaunlicherweise und zum Glück problemlos.
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Im nächsten Teil des Rückblickes geht es dann um konkrete Erfahrungen während unserer Reise.
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