3. Bildbeispiele, die ohne Stativ nicht möglich gewesen wären
Bei den Beispielen im zweiten Teil hatte der Einsatz des Stativs zwar durchaus Sinn gemacht und das Bildergebnis entscheidend verbessert. Ohne direkten Vergleich mit einem Bild, dass ohne Stativ aufgenommen worden wäre, ist die Wirkung jedoch nicht immer auf den ersten Blick erkennbar; vor allem für ungeübte Augen.
Das ändert sich nun im dritten Teil. Hier sind die kreativen Möglichkeiten, die einem das Dreibein bietet, auf den ersten Blick erkennbar, teilweise sogar bildentscheidend.
Bewegungsunschärfe I
Es gibt ja grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Bewegung in einem Foto sichtbar zu machen: Entweder man folgt mit der Kamera dem sich bewegenden Objekt und versucht dieses möglichst scharf abzubilden während der Hintergrund dabei verwischt wird (sogenannter “Mitzieher”) oder man hält die Kamera statisch, was zu einem scharfen Hintergrund mit verwischtem Objekt führt. Gerade im zweiten Fall ist ein Stativ unerlässlich, denn wenn die Verschlusszeit so kurz ist, dass Freihandfotografie möglich ist, wäre auch das sich bewegende Objekt zu wenig verwischt (bei einem mit 300 km/h dahinrasenden Formel 1 Auto mag das vielleicht noch klappen, aber im untenstehenden Beispiel mit dem Jogger nicht mehr).
Diese Art von Fotografie lässt sich noch steigern: Indem man die Verschlusszeit auf mehrere Sekunden verlängert (evt. mit Hilfe eines Neutraldichtefilters), werden z.B. Menschen nur noch bedingt als Einzelpersonen abgebildet, sondern mehr als verschwommene, wogende Masse. Die Bildwirkung entsteht hier v.a. durch den Gegensatz scharfer Hintergrund/unscharfer Vordergrund. Sehr praktisch auch, wenn das Foto über eine Bildagentur vermarktet werden soll; man spart sich den/die Model Release… 🙂
Aber auch dies lässt sich noch weiter steigern. Manchmal möchte man z.B. eine tolle Landschaft oder Stadtansicht fotografieren, ohne dass einem dauernd Leute durchs Bild spazieren, egal ob scharf oder unscharf. Gerade z.B. in historischen Innenstädten fast unmöglich. Selbst geduldiges Warten hilft nicht immer. Bevor die einen links aus dem Bild verschwinden, tauchen rechts schon die nächsten auf. In solchen Situationen kann man durch Einsatz eines sehr starken Neutraldichtefilters die Belichtungszeit auf eine (oder mehrere) Minuten ausdehnen. Auch Leute, die gemächlich durch die Gassen schlendern, sind dann auf dem fertigen Foto wie durch Zauberhand verschwunden! In untenstehendem Beispiel vom Zürcher Niederdorf sind während der Belichtungszeit ein halbes Dutzend Leute durchs Bild spaziert…
Bewegungsunschärfe II
Logisch, dass obige Technik nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere, Fahrzeuge, Flugzeuge etc. funktioniert. Allerdings kann man das Thema noch weiter ausreizen: Auch mit Wasser, Wolken und Pflanzen ergeben sich tolle Effekte. Bilder von Meeresküsten, wo die Wasseroberfläche aussieht wie ein Nebelmeer, hat wohl jeder schon mal gesehen. D.h. das Wasser verliert Dynamik und wird “gesoftet”.
Genau der gegenteilige Effekt tritt bei ziehenden Wolken am Himmel ein. Während bei einer normalen Aufnahme die Wolken statisch am Himmel kleben, wird ihnen durch die Langzeitbelichtung eine unglaubliche Dynamik verliehen und die Bewegung erst sichtbar gemacht.
Ein weiteres Thema ist der Wind. Der ist an sich ja eigentlich unsichtbar bzw. kann nur über Umwege sichtbar gemacht werden, z.B. durch sich bewegende Objekte wie Flaggen oder Segelschiffe oder Wellen. Oder eben durch Pflanzen. Gerade der Gegensatz zwischen dem unbeweglichen und daher scharf abgebildeten Stamm und den umherpeitschenden Aesten/Blättern ist sehr wirkungsvoll.
Mir persönlich bereitet es ausserdem viel Spass, wenn ein Betrachter meiner Bilder misstrauisch meint: “Welcher Effekt in Photoshop ist denn das?” und ich seelenruhig darauf hinweisen kann, dass diese Bildwirkung durch Beherrschen des Handwerks schon während Aufnahme in der Kamera entstanden ist und nicht in einem Software-Labor im Silicon-Valley…
Weniger Fotos
Als angenehmer Nebeneffekt ist noch die Tatsache festzuhalten, dass man weniger Bilder macht. Bevor man sich nämlich die Mühe macht, das Stativ aufzubauen und die Kamera aus dem Rucksack zu kramen, schaut man erstmal ganz genau hin, ob sich das überhaupt lohnt. Und so ganz nebenbei schärft man damit seine interne “Motivklingel”. Nicht jedes vermeintliche Fotosujet ergibt ein gutes Bild und nicht jedes gute Bild war in der Realität ohne weiteres als solches erkennbar.
Wenn man dann nach zwei Wochen Urlaub mit “nur” 500 Bildern nach Hause kommt statt 2000, dann ist das durchaus eine Erleichterung und bedeutet, dass man viele Stunden weniger vor dem Computer verbringen muss. Und meistens ist es ja so, dass man von den 2000 Bildern sowieso 1500 löschen müsste, weil verwackelt, unscharf, doppelt oder einfach nichtssagend. Aber löschen ist meistens schwieriger als gar nicht erst machen, dass weiss ich auch aus eigener Erfahrung…
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