Tragesysteme Teil 2 – Cotton Carrier

Hier der zweite Teil “Tragesysteme”, der sich dem Cotton Carrier widmet

Cotton Carrier

Das Konstruktionsprinzip ist völlig anders als beim Safari Pro+. Es ist eigentlich so ein Mittelding zwischen Gurtsystem und Weste. Die Riemenkonstruktion wird ziemlich eng um den Oberköper geschnürt. Dies ist nötig, da die Kamera mittels eines einklickbaren Adapters auf einer stabilen Brustplatte befestigt wird. Der grosse Vorteil dabei: Da wackelt oder baumelt nichts vor und zurück, die Kamera sitzt in der definierten Position auch mit schwerem Tele (Objektiv zeigt nach unten) fest fixiert vor der Brust und ist trotzdem relativ schnell schussbereit. Der Bewegungsablauf zum Ein- und Aushängen der Kamera braucht etwas Uebung, ist jetzt aber auch keine Hexerei (siehe Bildstrecke unten). Da man die Kamera zum Fotografieren vom Trägersystem lösen muss, macht der beiliegende Sicherungsriemen durchaus Sinn. Die genaue Funktionsweise sowie alles Zubehör ist auf der Webseite ausführlich erklärt (auf Youtube gibt es auch Demo-Videos vom Hersteller, inkl. Trampolinspringen mit Kamera…).

Die beim Safari Pro+  festgestellten Mängel sind beim Cotton Carrier also definitiv ausgemerzt. Alles macht auch einen extrem stabilen und dauerhaften Eindruck. Die Details und die Ausführung wirken durchdacht und praxisgerecht. Das sich das auch im Preis niederschlägt, ist nachvollzieh- und verschmerzbar (ich hatte damals rund CHF 230.- bezahlt für Weste, Hüftholster, Handschlaufe und Arcaswiss-kompatiblem Stativadapter). Also alles paletti? Wenn es denn nur so einfach wäre… Den bombenfesten Sitz der Kamera erkauft man sich mit anderen Nachteilen. Erstens ist da die Sache mit dem Schwitzen. Damit auch tatsächlich nichts verrutscht, muss die Weste sehr eng geschnürt werden. V.a. beim Herausnehmen der Kamera verkantet der Adapter öfters, wenn “Spiel im System” ist (d.h. auch jedesmal, wenn man eine Jacke an- oder auszieht, muss auch der Cotton Carrier neu justiert werden). Naturgemäss schwitzt man deshalb darunter ziemlich, Meshgewebe am Rücken hin oder her. Gerade die massive Brustplatte ist eine Sauna erster Güte. Ausziehen der Weste z.B. im Restaurant ist nicht empfehlenswert, ausser man legt Wert auf Zurschaustellung dekorativer Salzränder und Schweissflecken… Apropos Ausziehen: Wenn man bei kühleren Temperaturen mit Pullover oder Jacke loswandert und diese später ausziehen will, ist das mit dem Cotton-Carrier eine kleine Generalstabsübung (die sich dann wiederholt, wenn man Pullover/Jacke für’s Picknick wieder anziehen will…). Für die allererste Anpassung sollte man sich sowieso von einer zweiten Person helfen lassen, ansonsten kann es ziemlich frickelig werden (siehe unten).

Ein weiterer Nachteil für mich ist die Tatsache, dass das Stativgewinde der Kamera mit dem Cotton-Carrier-Adapter besetzt ist. Es gibt zwar Arcaswiss kompatible Adapter, aber da dieser zusätzlich zum normalen Adapter verwendet wird, baut die die ganze Konstruktion recht hoch und ist relativ schwer, sodass ich das nicht dauerhaft an meiner Kamera haben möchte. Dazu kommt noch, dass die mitgelieferte Stativplatte zwar Arcaswiss-kompatibel ist, aber nicht ganz passgenau gefertigt ist. D.h. ich müsste auch jedesmal die Schnellaufnahme meines Arcaswiss Getriebeneigers feinjustieren, damit es passt (und anschliessend auch jedesmal wieder “rück-justieren”, damit die Originalplatte wieder passt). Das ist mir dann definitiv zuviel Gebastel und Kompromiss.

Cotton Carrier

Der Cotton Carrier von vorne über dem Kleiderbügel. Gut zu sehen die Kamera-Brustplatte und der Sicherungsriemen rechts im Bild.

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Cotton Carrier

Der Cotton Carrier von der Seite. Vorne = rechts, hinten = links.

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Cotton Carrier

Der Cotton Carrier von hinten. Die Schulterriemen werden am Mesh-Rückenteil mittels Klett übers Kreuz fixiert. Deshalb ist es sinnvoll, bei der ersten Anpassung die Hilfe einer zweiten Person in Anspruch zu nehmen, die die Rückenträger fixieren passgenau fixieren kann.

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Cotton Carrier

Der Cotton Carrier seitlich von hinten. Hier erkennt man sehr schön die Konstruktion des Systems.

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Cotton Carrier

Die Brustplatte mit der Kameraufnahme im Detail.

Cotton Carrier

Ganz links der Standard-Adapter mit Gummiunterlage, Schraube und Inbusschlüssel.
In der Mitte zusätzlich zum Standard-Adapter der Arcaswiss Adapter ebenfalls mit Gummiunterlage.
Rechts die Handschlaufe. Diese wird unten ebenfalls am Stativgewinde befestigt und oben an der klassischen Kamera-Gurtöse. Bei meiner Pentax habe ich das Problem, dass aufgrund des tiefen Kameragehäuses das Stativgewinde ziemlich weit vorne liegt. D.h. die Handschlaufe wird dann zu weit nach vorn gezogen, sodass kein sicheres und bequemes Handlich möglich ist. Für normale Kleinbild-Gehäuse passt es aber sicher besser.

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Cotton Carrier

So sieht es dann an der Kamera aus. Links der Standard-Adapter, rechts inkl. Arcaswiss-kompatibler Stativplatte. Ist schon ein rechter Turm, der sich da aufbaut…

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Cotton Carrier

Hier wieder die gewohnte Ansicht von vorne, seitlich und von hinten. Man zieht auf jeden Fall die Blicke der Passanten auf sich, wenn man so gerüstet in der Stadt unterwegs ist 🙂 .

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Cotton Carrier

Zum Fotografieren wird die Kamera durch eine seitliche Schwenkbewegung in die Horizontale und anschliessendes Herausfahren nach oben von der Brustplatte gelöst. Einhängen dann derselbe Ablauf in umgekehrter Reihenfolge.

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Cotton Carrier

Das Hüftholster kann sowohl an normalen (stabilen) Gürteln befestigt werden oder auch am “grossen” Cotton Carrier oder am Hüftgurt des Wanderrucksackes etc. Die Konstruktion ist so stabil, dass ich dem Holster auch bedenkenlos die obige schwere Kombi anvertrauen würde. Bequem ist es mit diesem Gewicht allerdings nicht, aber für eine kleine APS-Spiegelreflex mit Standardzoom (oder die neue spiegellose Hasselblad X1D…:-) ) sicher gut geeignet. Und ansonsten: John Wayne lässt grüssen…

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Cotton Carrier

Der Cotton Carrier im Einsatz in Mailand. Sieht schon ein bisschen martialisch aus, selbst ohne angehängte Kamera… Lustig war, dass die zahlreich vorhandenen fliegenden Händler meine 2kg schwere Kamera-Kombi vor der Brust konsequent ignorierten und mir laufend Selfie-Sticks andrehen wollten.

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Fazit Cotton Carrier

 Vorteile

  • Hochwertige Verarbeitung
  • Durchdachtes, praxisgerechtes Zubehör
  • Bombenfester Sitz der Kamera, auch mit schwerem Objektiv
  • Schneller Zugriff
  • Teil eines Systems mit Hüftholstern, Gurtlösungen, Zubehör, Ersatzteilen etc.
  • Sicherungsriemen

Nachteile

  • Durch die enge Trageweise sehr heiss darunter
  • Ein- und Ausziehen relativ umständlich
  • Befestigungsplatte baut sehr hoch und blockiert Stativgewinde
  • Relativ schwer
  • Relativ teuer
  • In Nordeuropa schwer erhältlich, DACH hat gar keine Händler (meine damalige Bezugsquelle digifuchs.ch führt den Cotton Carrier aktuell nicht mehr auf der Webseite

 

 

FAZIT TRAGESYSTEME

Die eierlegende Wollmilchsau gibt es auch in diesem Bereich nicht. Beide Systeme haben Ihre Vor- und Nachteile. Den Safari Pro+ sehe ich eher als unkomplizierten Generalist, den man auch einfach mal auf Verdacht mitnehmen kann und dafür auch gewisse Kompromisse einzugehen bereit ist. Der Cotton Carrier hingegen ist ein spezialisiertes System, das bei passendem Einsatzzweck mit hoher Funktionalität und überzeugender Qualität punktet, für den Sonntagsspaziergang aber technischer Overkill ist.

Die Optik ist bei beiden gewöhnungsbedürftig, besonders mit dem Cotton Carrier fällt man schon ziemlich auf…

Den Safari Pro+ würde ich mir jederzeit wieder kaufen (kostet ja auch fast nichts…), den Cotton Carrier wohl eher nicht. Das liegt einfach daran, dass er nicht für meine Art zu fotografieren gedacht ist. Da ich ihn aber nun schon mal habe, behalte ich ihn auch. Vielleicht ergibt sich ja doch die eine oder andere Gelegenheit, wo ich dann froh drum sein werde.

Falls Ihr noch Fragen dazu habt oder evt. Bezugsquellen wisst, postet dies doch bitte mittels der Kommentarfunktion.

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