Eine Lanze brechen für das Stativ, Teil 4

Wie bereits im ersten Teil angedeutet, schiebe ich hiermit noch einen vierten Teil nach, der ausschliesslich der “Hardware” gewidmet ist, sprich Stativ und Stativkopf. Und ich befürchte fast, dass gibt wieder einen langen und textlastigen Beitrag…

4. Technik

Da es unmöglich ist, auch nur annähernd alle auf dem (europäischen) Markt erhältlichen Stative oder Stativköpfe zu kennen, mache ich gar erst den Versuch, eine Art Marktübersicht oder generellen Stativ-Test zu veröffentlichen. Dafür gibt es andere Seiten bzw. Informationsquellen.

Ich werde einfach die von mir verwendete Ausrüstung vorstellen, deren Handhabung im fotografischen Alltag, was ich mir beim Kauf (bzw. idealerweise davor…) gedacht habe und warum ich genau diese Teile ausgewählt habe und nicht andere. Plus natürlich meine positiven und negativen Eindrücke und Erfahrungen dazu, wie immer äusserst subjektiv…

Als erster Überblick eine Auflistung meiner Ausrüstungs-Gegenstände in Sachen Stativ, welche ziemlich übersichtlich ist:

  • Hauptstativ: Gitzo Systematic GT5532S Carbon
  • Stativkopf: Arcaswiss D4 3D-Getriebeneiger
  • Reisestativ: Berlebeach Mini Holz
  • Fernauslöser: Pentax kabellos

 

Gitzo Systematic GT5532S Carbon

Gewicht: 2.8kg
Auszugshöhe: 132cm
Packmass: 63cm

Stative für die freie Wildbahn sind eigentlich immer ein Kompromiss. Bombenfest, federleicht, 2m Arbeitshöhe, auf 25cm zusammenfaltbar und < CHF 100.- passt einfach nicht zusammen. Man muss sich also zuerst darüber klar werden, wo man die persönlichen Prioritäten setzt und wo man eher bereit ist, Abstriche zu machen. Da ich eine Mittelformatkamera mit den dazugehörigen sperrigen Objektiven verwende, war für mich von Anfang an klar, dass die Stabilität absolute Priorität hat. Was nützt mir eine 40 MP Kamera mit superscharfen Optiken, wenn der ganze Aufbau schon beim leisesten Windhauch zu vibrieren beginnt. Die Marke Gitzo habe ich gewählt, weil sie einen exzellenten Ruf hat, in der Schweiz gut verfügbar ist und das Angebot sehr modular aufgebaut ist; für jedes Bedürfnis findet sich das geeignete Dreibein. Aufgrund der Stabilität wollte ich eines aus der 4er oder 5er Serie. Aus demselbem Grund habe ich auch auf eine Mittelsäule verzichtet. Nachdem das einmal festgelegt war, ging es anschliessend nur noch darum, aus den übrigen Parametern wie Arbeitshöhe, Packmass und Gewicht den für mich besten Kompromiss herauszufinden. Da ich mit 172cm Lebendhöhe nicht unbedingt ein Riese bin, reicht mir eine Arbeitshöhe von 132cm, denn obendrauf kommt ja noch der Stativkopf und die Kamera, sodass der Kamerasucher schlussendlich genau (naja, fast…) auf meine Augenhöhe kommt. Mehr als drei Beinsegmente sollten es der Bequemlichkeit halber nicht sein, also musste ich ein etwas grösseres Packmass in Kauf nehmen. Zwar gehört das GT5532S mit 2.8kg eher zu den schwereren Exemplaren, ist aber immer noch ein Kilogramm leichter als mein altes Manfrotto Trifive aus Alu und dabei erst noch stabiler.

Da ich das Stativ häufig über der Schulter trage, teilweise auch mit aufgesetzter Kamera, musste noch eine Polsterung der obersten Beinsegmente her. Dazu habe ich mir die Neopren-Hüllen von Gitzo nachgekauft. Allerdings werden die Beine dadurch so dick, dass ich sie mit einer Hand nicht mehr richtig umgreifen kann; ungünstig und unbequem zum in der Hand tragen. D.h. ich verwende die Neopren-Teile nur wenn ich weiss, dass lange Schulter-Trage-Passagen anstehen. Als “Immer-drauf” Minimal-Polsterung habe ich Lenkerband aus dem Fahrradzubehörhandel um die Stativbeine gewickelt; das gibt es in allen Farben und Dicken.

Vorteile: Sehr stabil, verhältnismässig leicht, praktische Schnell-Drehverschlüsse, schnell installiert, auswechselbare Füsse (Gummi, Spikes etc.), modular aufgebaut und erweiterbar

Nachteile: Teuer, grosses Packmass, für gewisse Zwecke zu schwer und zu gross. Fotografieren mit dem Teil erweckt (nicht immer erwünschte) Aufmerksamkeit.

 

Gitzo GT5532S
Gitzo GT5532S
Gitzo Detail: Lenkerband und Neoprenhüllen
Gitzo Detail: Lenkerband und Neoprenhüllen

 

Arcaswiss D4

Gewicht: 0.9kg
Bauhöhe: 13cm (inkl. Schnellverschluss)
Art: 3D Getriebeneiger

Für meine Art der Fotografie bevorzuge ich einen Getriebeneiger gegenüber einem Kugelkopf. Bis vor drei Jahren verwendete ich einen Manfrotto Junior 410. Der war bzw. ist eigentlich ziemlich gut und auch relativ preiswert, hat(te) aber für mich zwei Nachteile: Erstens ist er ziemlich gross, klobig und schwer (1.4kg) und zweitens benötigt er eine Manfrotto-eigene Kameraplatte, die ebenfalls ziemlich gross und schwer und mit nichts anderem kompatibel ist. Da ich rein funktionell aber nichts auszusetzen hatte und er zu jener Zeit in seiner Preisklasse ziemlich konkurrenzlos war, konnte ich gut damit leben. So nach zwei oder drei Jahren intensivem Gebrauch allerdings gingen die Feintriebe immer schwergängiger und vor allem etwas rucklig. Zufällig bin ich genau zu dieser Zeit über eine Anzeige von Arcaswiss “gestolpert” mit dem D4. Der Preis von knapp CHF 1’000.- liess mich zwar erst einmal leer schlucken, aber je länger ich die Spezifikationen studierte, desto besser gefiel er mir. Nicht nur, dass er viel kleiner, kompakter und leichter war (0,9kg) als der Manfrotto, sondern auch das Konstruktionsprinzip hat mich beeindruckt. Der D4 besitzt für die beiden Hauptachsen sowohl Feintriebe (runde Knöpfe) als auch eine Schnellverstellung (tropfenförmige Knöpfe). Bleiben diese letzteren offen, kann die Kamera fast wie auf einem Kugelkopf frei bewegt werden. Zum Feststellen müssen dann allerdings zwei Knöpfe arretiert werden statt einer wie bei einem richtigen Kugelkopf. Sind die beiden Schnellverstellungen arretiert, kann mit den Feintrieben noch die exakte Ausrichtung vorgenommen werden. Der Kopf ist logischerweise Arcaswiss-kompatibel und in zwei Ausführungen lieferbar: Mit Schnellwechseleinheit (bei Arcaswiss “Fliplock” genannt) oder manueller Feststellung. Auch hier habe ich mich zugunsten der Bequemlichkeit für die Fliplock-Variante entschieden.

Beim ersten Augenschein im Laden war ich von der massiven und kompakten Bauweise angenehm überrascht: Ein feinmechanisches Kleinod aus Metall. Ein wenig Bedenken hatte ich einzig aufgrund der ziemlich filigranen Hebel des Fliplock-Systemes und der Panoramaverstellung. Nach fast drei Jahren regelmässigen Gebrauches kann ich allerdings feststellen, dass meine anfänglichen Bedenken diesbezüglich umsonst waren.

Eigentlich hat dieser Kopf nur einen einzigen Nachteil: Es ist mir jetzt schon zweimal passiert, dass bei Regen die Feintriebe nicht mehr funktionierten, bzw. einfach leer drehten. Das erste Mal war ich ziemlich beunruhigt, da ich zuerst dachte, die Gewinde wären ausgenudelt und der Kopf kaputt. Nach einer Stunde im trockenen Restaurant funktionierte dann aber alles wieder normal. Das ist zwar ein bisschen ärgerlich, aber da es jeweils nur temporär auftritt und die Schnellverstellung nach wie vor möglich ist, kann ich damit leben. Sooo häufig fotografiere ich ja nun auch nicht im Regen…

Vorteile: Für einen Getriebeneiger sehr klein und leicht, sep. Regelknöpfe für Feintrieb und Schnellverstellung, massive und stabile Ausführung, Arcaswiss-kompatibel (für Zubehör)

Nachteile: Teuer, bei Nässe funktionieren die Feintriebe teilweise nicht mehr.

Arcaswiss D4
Arcaswiss D4
Arcaswiss D4: Fliplock-Hebel geschlossen - halboffen - offen
Arcaswiss D4
Arcaswiss D4: Fliplock-Hebel geschlossen - halboffen - offen
Arcaswiss D4: Fliplock-Hebel geschlossen – halboffen – offen
Nachtrag vom 13.09.2016

Zum Arcaswiss D4: Im Frühjahr 2016 war ein minimales Spiel in der horizontalen Achse feststellbar, dass sich in den nächsten Monaten noch vergrösserte. Nicht so leichtgängig, dass es die Bildqualität beeinträchtigt hätte, aber nervig bei einem so hochpreisigen Qualitätsprodukt. Ich habe den Kopf dann im Sommer bei Profot Zürich (wo ich ihn gekauft hatte) abgegeben, die ihn zu Arcaswiss in Frankreich gesandt haben. Nach etwas mehr als zwei Monaten (Kommentar Profot: “Jaja, in Frankreich haben die etwas länger Sommerpause…” 🙂 ) habe ich den revidierten Kopf zurückerhalten.

Zum Manfrotto Junior 410: Da ich während der Reparaturzeit des Arcaswiss den Manfrotto wieder reaktiviert habe, ist mir ein weiterer Grund (wieder) eingefallen, der mich damals zum Wechsel bewegt hat: Da sich beim Manfrotto die Drehknöpfe ebenfalls mitbewegen, stösst der für den vertikalen Schwenk zuständige Hebel an die grosse Stativplatte des Gitzo. D.h. sobald ich die Kamera mehr als ein paar Grad nach oben neigen will, muss ich mit der Länge der Stativbeine jonglieren, was ziemlich unpraktisch ist.

Berlebach Mini

Gewicht: 0.7kg
Auszugshöhe: 36cm
Packmass: 26cm

Nun gibt es immer wieder Situationen, wo das grosse Gitzo überdimensionert ist, zuviel Aufmerksamkeit erregt oder ich schlicht und ergreifend keine Lust habe, rund 3.5kg Stativ durch die Gegend zu wuchten (ja ja, sogar mir passiert das hin und wieder…). Dafür habe ich mir ein Holzstativ von Berlebach angeschafft, das Mini. Nach einigen Testbildern kann ich guten Gewissens behaupten, dass es genauso stabil ist wie das Gitzo, allerdings nur ein Viertel davon wiegt. Das liegt einfach an der Grösse, bzw. Kleinheit des Mini, das man zum bequem arbeiten am besten auf ein Mäuerchen o.ä. stellt. Dafür passt es wirklich in jeden Koffer oder jede Tasche und lässt sich auch bequem in der Hand oder mit Schultergurt tragen. Und das beste ist, ich kann den Arcaswiss D4 ebenfalls damit verwenden, sodass ich in der eigentlichen Funktionalität keine Kompromisse eingehen muss und auch die Kamera selber (Stativ-Kameraplatten) nicht umbauen muss.

Vorteile: Sehr klein und leicht, sehr stabil, günstig, Material (Holz) angenehm zu greifen, sehr schnell aufgebaut, passt überall rein, normaler Stativkopf kann verwendet werden.

Nachteil: Extrem niedrige Arbeitshöhe, geht eigentlich fast nur, wenn man das Stativ auf eine Mauer oder einen Tisch stellt.

Berlebach Mini ohne Auszug
Berlebach Mini ohne Auszug
Berlebach Mini mit Auszug
Berlebach Mini mit Auszug
Grössenvergleich Gitzo - Berlebach Mini
Grössenvergleich Gitzo – Berlebach Mini
Berlebach Mini im Einsatz
Berlebach Mini im Einsatz

Fernauslöser

Marke: Pentax

Auch hier gilt die alte Weisheit: Das Ergebnis kann nur so gut sein wie das schwächste Glied der Kette. Es wäre doch schade, wenn man soviel zeitlichen und finanziellen Aufwand betreibt und am Schluss aufgrund gesparten CHF/EUR 20.- für einen Fernauslöser die Aufnahme dann doch noch verwackelt.

Deshalb gehört der Fernauslöser für mich zur Stativausrüstung, denn nur damit kann man berührungs- und somit verwacklungsfrei auslösen. Ich verwende ein Originalprodukt von Pentax, aber es gibt Dutzende von Fremd-Lösungen für jede Marke und jeden Preis. Als Ersatz kann man zwar auch eine Auslöse-Verzögerung an der Kamera einstellen, aber dann wird das genaue Timing schwierig (siehe 2. Teil meiner Stativserie “Der richtige Zeitpunkt”). Und für Langzeitbelichtungen >30 Sek. gibt es sowieso keine Alternative. Wer möchte schon 5 Minuten lang den Finger auf den Auslöser gedrückt halten…?

Ach ja, zum Thema “schwächstes Glied in der Kette”: Dass man auf dem Stativ grundsätzlich die Spiegelvorauslösung verwendet, sollte eigentlich klar sein und sei nur der  Vollständigkeit halber nochmals erwähnt… 🙂

So, das war’s in aller Kürze zu meiner verwendeten Ausrüstung in Sachen Stativ. Falls Ihr noch Fragen zu den Produkten oder deren Gebrauch habt, schreibt diese bitte in die Kommentare. Ich werde mir Mühe geben, alle zeitnah zu beantworten.

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